Performed 22.09.07
at Hafenklang, Hamburg
CONTAINERKAPUTT
(Sex,Drugs and Rock'n'Roll)
Itty Nerdiva and Captain Legasto
feat. Sailorboy Grimm
disco ist scheiße!
ich war in dieser teenie kaputt stimmung, schon seit wochen. ich hatte
ordentlich vorgeglüht, bier und schnaps zum halben preis in der
kneipe, in der ich manchmal arbeite und gin- tonic bei den punker-assis
gegenüber, der dort so richtig billig ist, weil man anderweitig
draufzahlen muss, mit lebensenergie nämlich. voll die zombie
party ist da immer im gange. man kann nichtmal nostalgisch werden
dabei. in der tür saß einer auf einem barhocker und hatte
nen rotzeanfall, zog immer die rotze hoch und hustete dann, dann wieder
rotze, das ging fünf minuten, dann kotzte er und fiel vom stuhl,
mitten in den raum rein, lag da wie tot. also hat ihm sofort einer
voll in die eier getreten, bot sich ja an. auf der eckbank neben zwei
fummelnden kiddiepunks saß einer zusammengesunken und pennte.
war ganz friedlich, ratte auf der schulter und so, aber jedesmal,
wenn die tür quietschte und wer reinkam, wachte er auf, haute
mit der faust auf den tisch und brüllte 'bambule! bambuuuuhhle'.
die tür ging dauernd, weil das ist ein durchgangsladen. alle
sitzen draußen und genießen den blick auf die containerschiffe
im dock.
ich war jedenfalls schon ziemlich betrunken und musste den pegel halten,
ich brauchte dringend bier oder irgendeinen schnaps, aber hier am
arsch der welt gab es einfach keine verdammte tanke. eine scheiß
party war das bestimmt. andere elbseite, hochglanzplakate, brückenschlag,
stadtteilaufwertung, megahippness, daß ich nicht lache. meine
hoffnung auf schnaps war auf null, aber endlich tauchte ein kiosk
auf, erlösung. 24 stunden lang durchgehend konnte man dort schnaps
und belegte brötchen kaufen, genau richtig also, aber meine beiden
begleitpaare, die eben noch alle fünf minuten zwischenstopp eingelegt
hatten, um rumzuknutschen, war ja alles so romantisch, rost, stahl,
gammel und kräne, wollten plötzlich nicht mehr anhalten.
auf einmal könnte die party schon vorbei sein, beeilung, außerdem
wären wir sowieso gleich da.
also hab ich wütend mein fahrrad hingehauen, bin in das kiosk
reingestapft und hab mir drei kleine jägermeister und einen küstennebel
gekauft, aus frust, ich trink so zeug normal nicht. als ich wieder
rauskam, waren die vier anderen weg, mein fahrrad sah aus wie ein
toter elch und die kette war gerissen. ich musste also weiterschieben,
alleine. die straße ging ewig geradeaus, freihafen eben, total
einsam, komische industriegeräusche, tote tauben auf dem asphalt,
diffuses gelbes licht und der mond war auch ganz orange und weil ich
nicht wirklich wusste, wonach ich suchen sollte, vielleicht war diese
blöde party in einem ehemaligen bunker und von außen daher
nichts zu hören, war ich die ganze zeit ein bisschen angespannt.
aber endlich sah ich mein ziel: ein holzverschlag mit bunten lichterketten
dran auf einer feuchten wiese. es wummerte bass.
ich kletterte über einen stacheldrahtzaun, um meinen weg zu verkürzen
und riss mir ein loch in meine giftgrünen leggings. scheiße,
scheiße!
die weiße rüschensocke ist über die ferse nach vorne
in den schuh gerutscht. unter dem fußballen bildet sie einen
schmerzhaften wulst aus feuchtem stoff. ich kann die socke nicht hochziehen,
ich müsste den schuh ausziehen, alles liegt sowieso nur an diesen
blöden schuhen. wie konnte ich bloß auf die idee kommen,
sie ausgerechnet heute anzuziehen. verdammt spitze schwarze stiefeletten
mit pfennigabsatz. zum rocking rave. ich hatte durch die nassen füße
allerdings jegliche legitimation, später barfuß durch scherben
zu tanzen, um eine feuertonne herum- aber noch war ich nichteinmal
angekommen, bei derselbstbau boombox. weil ich mit den high-heels
dauernd im schlamm steckenblieb, humpelte ich schwerfällig über
die wiese und stellte fest, daß diese an einem kanal endete.
der holzverschlag war gleich am anderen ufer, aber ich konnte nicht
hin. das kanalufer war mit weiden bewachsen, die ins wasser hineinhingen
und überhaupt war das gestrüpp ziemlich dicht. plastik hatte
sich darin verfangen und leere dosen und ich hatte überhaupt
keine lust, mich zu entkleiden und durch den kanal zu schwimmen. das
wasser sah sehr braun aus. vielleicht waren krokodile drin. ich hätte
mich ans ufer gesetzt und huckleberry finn gespielt, oder robinson,
aber der fehlende schnaps, der blaue lidschatten auf meinen augen
und auch mein kiss t-shirt hinderten mich daran. ich war kein kind
mehr. meine füße waren naß, meine hose im arsch,
es fing an zu regnen und ich hatte nichts mehr zu trinken. es machte
mir keinen spaß. ich stapfte den kanal entlang, zur straße
zurück, die ich mich endlose weitere windungen im kreis führte,
bis ich endlich die blockbaucontainerhütte erreichte. alaska.
es ist neblig vor rauch hier drinnen, die tanzfläche aus festgestampftem
lehm ist leer bis auf zwei langhaarige, die sich auf dünnen beinchen
mit kautschukschuhen unten dran zu vierviertel applesound mit obertonpanflöten
wiegen, köpfe in den nacken gelegt, die augen geschlossen und
die arme weit ausgestreckt. die restlichen sechs leute stehen an einem
tresen, der aus schrott geschweißt ist und reden über musik.
oder über leute, die musik machen. oder über instrumente
und verstärker. also über sich. über sich über
sich über sich und ihre zwischenmenschlichen beziehungen und
wie sich neulich d. wieder lächerlich gemacht hat, als er auf
der party von m. m's fernseher aus dem fenster geworfen hat aus frust
über die fehlende musik oder den fehlenden rock oder das fehlende
geld oder aus eifersucht. d.ist ein stinker. d. steht für double
trouble. dann geht die hüttentür auf und d. kommt rein.
d. geht zum tresen und bestellt ein bier. alle sagen hallo, d. und
ignorieren ihn dann. reden weiter über rock und sich, sagen sachen
wie: 'leute gehen auf rockkonzerte, um leuten zuzuschauen, die an
sich selbst glauben.' ich ziehe gelangweilt an der tüte, die
mir in abständen von zehn minuten von einem der beiden langhaarigen
tänzer gereicht wird. ich hab ewig nicht gekifft. eine von den
tussies, die am arm von ihrem typen hängt sagt: 'du hast ein
hübsches stimmchen, aber was du machst, ist einfach gemein. so
ordinär. ich z.b. habe vielleicht eine spitze zunge, aber destruktiv
bin ich nicht .' 'mensch, liz ist 22 und hat schon alles erreicht,
was man in einem leben erreichen kann, jetzt kann sie sich nur noch
umbringen, um ihre karierre zu retten, schau sie dir mal an, die fette
sau! die ist nicht mal in der lage, ihr eigenes playback zu singen.
oh gottchen!' ' 'ich glaub du hast recht.'
plötzlich schreit d.: ALLES GEHT KAPUTT! ! CONTAINERKAPUTT! CONTAMINIERT!
ihr seid schweine! ich verachte euch! wir sind schweine!
ich verachte euch zutiefst! WIR SIND ZOMBIES! eure fressen gefallen
mir nicht! von wegen hamburg rockt,alles pop! popperschweine! punk!
punk! punk! für immer! soul! mind! fist! for ever ever, for ever
ever ever! don't ever fuck with me! itty!
und dann haucht d. dem barkeeper und veranstalter, dem mac, dem don
also, seinen stinkenden atem ins gesicht und macht: buh! ich muss
lachen. das kommt gar nicht gut. alle drehen die köpfe zu mir
und starren mich an, auch d. ein moment der stille. ich mache den
fehler und sage leise: buh. d. ist mit drei schritten bei mir, sein
gesicht ganz nah und schreit mich an:
hey, das ist meine show hier! i'm miss world! fucking loser! asshole!
der blockdon steht plötzlich auch daneben und sagt durch zusammengepresste
dünne lippen mit bärtchen unten dran:
du spinnst wohl. ich hab mir das hier selbst aufgebaut, in der langweiligsten
landschaft der welt, du pottsau. und du bist bloß ein durchgedrehtes
lockengelöt, klöterst durch die gegend, schon seit wochen
bedröhnt, hängst ab mit besoffenen. ich hab die schnauze
voll. torten-gedöhns!
ich kriege einen lachkrampf. das kenn ich schon, das mit dem lachen,
mein ich. passt nie, kommt in falschen hals, außer mit richtigen
freunden, in der u-bahn, nachts nach st.pauli. die gesichter von diesen
leuten...kann passieren, daß man dann aufs maul kriegt. ich
lache nicht freundlich genug, so als würd ich auch sonst immer
kichern, so mädchenhaft. alle wollen streß haben, sich
prügeln, ich auch. ist wirklich wahr. ich steh drauf. jetzt gerade
allerdings bin ich zu bekifft. hab ich ewig nicht gemacht, das kiffen.
daher der lachkrampf vielleicht, war ja nicht witzig, der don nicht,
d. nicht, die allgemeine situation nicht und die party langweilig.
und jetzt stress. ich versuche mich zusammenzureißen, weil ich
merke, daß ich gleich wieder lachen muss, das kommt vom streß.
der stress macht, daß ich noch mehr lachen muss. das will ich
dem don sagen, aber ich kann vor lachen nicht reden. sitze da auf
einer holzkiste und hab schmerzen im unterleib vor lachen. gleich
piss ich mir in die hose. der don sieht immer wütender aus, was
hat der bloß, denke ich und muss weiter lachen, fängt an,
spaß zu machen. vielleicht sollt ich mir in die hose pinkeln
vor lauter rock. so g.g. allin. sollt ich dem don vielleicht vorschlagen,
leg dich vor mich hin, don, auf den lehmboden und ich pisse dir in
den mund, voll freakig wär das. vielleicht lieber nicht fragen,
einfach machen. spontan sein. richtige fehler im richtigen moment.
scheitern, ch stehe auf, ein bißchen unsicher auf den beinen,
schwankend. wie soll ich den don bloß umhauen, daß er
vor mir auf dem boden liegt und ich ihm in den mund pinkeln kann.
denke, daß das aber eine gute idee wäre, ihn anzupinkeln.
denke dann, daß ich das doch eben schon gedacht hab, das mit
der guten idee. denke, diese schlaufen, daß ich immer alles
wiederhole im kopf, das kommt vom kiffen. ich denke immer voraus,
also schneller als ich kann, dadurch bin ich dann zu langsam im denken.
vom kiffen kommt das, auch die beinchen so wackelig.
der don zieht eine fiese grimasse und fällt um, auf den lehmboden,
direkt vor meine füße mit den nassen lack high heels. komisch.
wieso liegt der jetzt da, ich hab doch gar nichts gemacht, aber umso
besser, kann ich ihm jetzt easy in den mund pinkeln, muss ihn nicht
erst umhauen. ich mache einen schritt zur seite und positioniere mich
breitbeinig über dem kopf vom liegenden don. der hat die augen
weit offen und schaum am mundwinkel. vielleicht ist er krank, denke
ich und daß ich ihm vielleicht helfen müsste, aber heute
hab ich da überhaupt keinen bock drauf, kann mir gar nicht vorstellen,
was das für ein gefühl ist, jemandem helfen zu wollen. kann
mir nur vorstellen, wie es ist, ihn anzupinkeln. voll freakig und
wohlig, wie g.g.allin, warmes rock'n'roll gefühl, wie dead boys,
wie iggy, wie acdc, wie ramones und motorhead, turbonegro, social
distortion, misfits, spermbirds und slime. ganz euphorisch werde ich
davon. wie früher, mit sechszehn, eierlikör im hobbykeller
von den nachbarn. dann metaldisco mit laserlight und alle im kreis
mit den haaren am schwingen. sehr schön kann das sein. ich hab
nur immer zugeschaut. wie beim sportunterricht. beim sport hat sich
auch einmal eine angepinkelt, vor lauter angst. war ich aber nicht,
ich war zwar unten in der hackordnung, aber auch bockig. war punk
irgendwann, das war auch besser, hab ich immer nur zigaretten vorgedreht
auf der bank und nicht mehr gewartet, daß ich aufgefordert werde
zum volleyball. ich steh also hier und will den don anpissen, da packt
mich plötzlich wer hart am arm, dreht den um, auf meinem rücken,
daß ich schreien muss vor schmerz. krümme mich. aua. schreie.
merke dadurch, daß der techno weg ist, musik aus. nichts mehr
zu hören, außer einer stimme die schreit: alle an die wand!
sofort! an die wand! mafia oder bullenschweine. muss schon wieder
kichern. ihr habt so hübsche uniformen, da kommen eure hintern
richtig gut zur geltung. hab ich nur gedacht. aber sind tatsächlich
bullen, ganz viele, ne richtige truppe, mit helmen und schildern,
rufen dauernd: alle an die wand! und hände an die wand! aber
ganz ruhig! ich steh plötzlich auch an der wand. wie im film.
vielleicht ist das ganze ein partygag, eine inszenierung, ich hatte
schon von sowas gehört, fetish parties, sm und so und dann krieg
ich mit diesen weißen kabelbindern die hände hinterm rücken
vertäut. steh da rum, kann den kopf nicht weit drehen und nicht
viel erkennen. eh auch blöd im kopf. dicht an meinem ohr sagt
dann einer: los jetzt! bewegung! komm schon, baby, beweg deinen arsch!
im gänsemarsch werden wir zur blocktür rausgeführt
und stehen da rum im aufgeschütteten sand vor einer ghettotonne,
bis wir in eine olivgrünne wanne einsteigen müssen. das
schweigen dick und kalt und zäh wie frostschutzmittel und trennungsgespräche
und joy division, nur mir steigt immer noch kichern im hals hoch.
ich glaube, wir saßen nicht ewig in diesem bus, es kam mir nur
so vor. ich musste dringend pissen wie auf einer reise durch die sibirische
steppe im sommer, 18 leute in dem kleinen bus mit gepäck für
vierzig leute und ich hasse sie ich hasse sie ich hasse es es ist
eng es stinkt es ist stickig heiß und fürchterlich ich
muss auch nicht mehr lachen ich kann die beine nicht ausstrecken meine
zehen nicht spüren mein rücken schmerzt und die kopfhaut
auch aber ich kann nicht aussteigen weil ich sonst verdurste in der
sibirischenen steppe im sommer im winter erfriere in der sibirischenen
steppe ich hasse hasse die frau mir gegenüber mit der dicken
tasche auf den dicken knien und ich hasse hasse den mann neben mir
mit dem knoblauch und ich hasse mich daß, ich eine blöde
weltreise machen wollte und dieses klischee, aber als der graue osten
sich zu röten begann und der geheimnisvolle ernst und das feierliche
schweigen der morgendämmerung allmählich in den jubelgesängen
der vögel untergingen, nahm das schweigen einen fröhlicherern
ton an und unsere stimmung stieg stetig, bis wir alle sangen, alle
18 mann im bus auf des totes mannes kiste, alte sklavenlieder, shantychöre
und trancehymmnen, ich war so gerührt, daß ich weinte und
das ganze leben und das reisen war plötzlich zum aushalten, aber
dann gab es einen fürchterlichen knall, der bus wurde bis in
seine eingeweide erschüttert und ich war überzeugt, sterben
zu müssen, in einem befreiungsschlag einer raf-folge-und splittergruppe
oder durch militante gentrifizierungsgegner oder so etwas in der art.
draußen war rauch und schreie. die anderen saßen wieder
schweigend starr auf den bänken, da war nichts zu erwarten, also
öffnete ich ganz langsam und vorsichtig einen spalt weit die
tür und lugte hinaus. rauch und niemand zu sehen. ich stand auf,
schob die tür mit der schulter weiter auf, denn meine hande waren
ja immer noch auf dem rücken zusammengebunden, hopste hinaus,
stolperte, plumpste wie ein mehlsack auf den sand und landete schwer
auf meiner rechten schulter, die heute noch schmerzt, wenn es feucht
und kalt ist. ich robbte ein wenig durch den sand, vom auto weg, ich
hatte immer noch angst, es könne gleich explodieren. ich hatte
angst, in den rücken geschossen zu bekommen. eine urangst in
bezug auf bullen. hinterrücks erschießen sie dich, das
geht ganz schnell. was kann mir schlimmeres geschehen, asl das, was
mir geschehen wird? außer körperlichen schmerzen fürchte
ich nichts. die moral hängt nur mit einem faden an mir. trotzdem,
ich habe angst. ich kroch zitternd unter einen busch. die bullen standen
im kreis um ein polizeimotorrad herum, dessen kühltank explodiert
war, milchige flüssigkeit tropfte von ihren helmen und uniformen
langsam auf ihre blankpolierten schaftstiefel. aufgeregt steckten
sie die köpe zusammen, fluchten und dachten sich geschichten
aus- sie beachteten mich nicht und sonst auch nichts. ein guter moment
für flucht. ich nutzte ihn.
eine straße mit straßengraben, die an schienen entlang
führte, alle paar hundert meter betonpoller und komische schildern,
zoll- grenzschutz und winterwars, links und rechts von einem hohen
maschendrahtzaun gesäumt, damit man sich nicht auf die schienen
legen konnte. ich konnte keinesfalls rüberklettern. also rannte
ich die ersten meter immer weiter einfach geradeaus, verfiel dann
in ein schnelles traben und achtete darauf, in der nähe des straßengrabens
zu bleiben, um reinspringen zu können, falls der feind mich verfolgen
sollte. nach zeit, die mir ewig vorkam, bekam der zaun immer mehr
und größere lücken und lag schließlich niedergetreten
am boden, so daß ich rüberklettern konnte. ich stand auf
einer rissigen betonfläche, weitaus größer und langgezogener
als das heiligengeistfeld, groß wie eine landebahn. am horizont
konnte ich die umrisse eines gebäudes erkennen und beschloß,
darauf zuzulaufen. überall auf dem beton lagen rostige metallteile,
selsam geformt und in riesigen brackigen wasserlachen spiegelte sich
der schwefelgelbe vollmond. irgendwo schrie eine möwe. ich wurde
vollkommen ruhig.
wenn der himmel brennt
wenn der himmel brennt dann wach ich auf
wenn der himmel brennt dann hau ich drauf
wenn der himmel brennt dann bin ich da
wenn der himmel brennt dann ist alles klar
das wiederholte ich, bis ich fast das gebäude erreicht hatte.
zwischendurch hatte ich befürchtet, es sei nur eine fata morgana,
denn ich schien kaum näher heranzukommen. aber der weg war wohl
einfach weit und zusehends von toten tieren gesäumt. gebleichte
kaninchenknochen, abgenagte krähenflügel und die eingeweide
von dachsen oder füchsen oder so. unheimlich fast. aber endlich
ragte das gebäude wie ein hochhaus vor mir auf. es war ganz aus
stahl, ein gigantischer klotz, brutal und majästetisch und mit
dem klobigen rumpf unverkennbar ein riesiges schiff. ein containerschiff.
ich lief an seiner seite entlang, um einen eingang zu finden, fand
aber nur ein langes tau, das herabhing. unmöglich, mit meinen
auf dem rücken geknebelten händen heraufzuklettern. ich
setzte mich auf eine europlalette und merkte plötzlich, daß
ich immer noch dringend pinkeln musste, also stand ich auf und versuchte,
meine leggings herunterzuziehen, ohne meine hände , es war zum
verzweifeln. ich wand mich hin und her und fluchte, hopste auf und
ab und schließlich stolperte ich über meine eigenen blöden
beine und fiel kopfüber in den kanal. ich sank und sank, und
eine ziemliche panik erfasste mich. ich würde sicher wieder auftauchen,
aber wie sollte ich die kaimauer wieder hinaufkommen, ohne die hände?
ich kam ja im schwimmbad nichtmal den beckenrand hoch, clumsy.
aber es kam noch schlimmer. statt wieder hochgespült zu werden,
hörte ich ein dumpfes wummern und wurde von einem wahnsinnigen
sog erfasst, es sprudelte und brüllte und braunes wasser spülte
durch mich durch, ich hatte kaum noch luft und konnte überhaupt
nichts machen. das gewummer wurde immer lauter und lauter und endlich
ging mir voller entsetzen ein licht auf. ich wurde direkt auf die
rotierende schiffsschraube zugezogen! wie altes spülwasser in
einer amerikanischen küche mit eingebautem hächsler im abfluß.
immer schneller wurde ich mitgerissen und dann war nur noch brüllen
in meinen schmerzenden ohren und schmerz in allen meinen knochen ich
fiel fast in ohnmacht zerstückelt zerfressen von haien und liebe
und alkohol und und zigaretten und hass und musik und gewalt und roher
energie, danke, wipers! und kniff vor soviel emotion ergeben einfach
die augen zu. plötzlich war eine totenstille. tot. ich bin tot,
dachte ich, ziemlich unspektakulär. hatte ich eigentlich auch
nicht anders erwartet.
also exakt neutral. keine liebe kein hass. exakt neutral.
ich ließ die augen geschlossen, ich spürte immer noch wasser
um mich herum, aber es war warm und ganz ruhig mit kleinen blubberbläschen
und das licht vor meinen augen färbte sich langsam rosa, ganz
wunderschön. piiiiiiiiiiiip machte es. die flatline, ganz klar.
piiiiiiiiiiiip. ewig ging das, voll nervig. und dann plötzlich
mischte sich das piep mit geräuschen wie von wilden rolligen
katzen nachts um fünf, man ist aufgewacht davon und denkt, die
mitbewohner feiern eine orgie. in meinen ohren machte es laut plopp
und grelles licht blendete mich trotz geschlossener augen. irgendetwas
sog und zog und zerrte und mampfte und mahlte meinem armen körper
und dann fiel ich erneut auf meine kaputte schulter. verdammt, ich
dachte, der tod wäre nichts und man bräuchte sich nicht
mit solchem quatsch wie schmerzen beschäftigen. ich stöhnte
leise und wollte mit mit meiner linken hand nach dem schmerzpunk der
schulter tasten, aber das ging ja nicht, die scheiß fesseln.
also versuchte ich, einen fuß zu bewegen und die beine, konnte
ich die beine bewegen? ich hob ein bein und einen fuß an, in
die luft - jaaaaaaaaa!jaaaaaaaaaa!jaaaaaaaaaa! wieder dieses geräusch.
es erinnerte mich an ein rockkonzert, ja, das jubeln und kreischen
und klatschen und trampeln mit den füssen. stadtpark, life-aid
oder nirvana, rammstein, die rollling stones, the who soetwas in der
art. jaaaaaaaaa!jaaaaaaaaaa!jaaaaaaaaaa!
es ist an der zeit, die augen zu öffnen, außerdem muss
ich husten. ich drehe mich auf den bauch und kotze mühsam ein
menge kanalwasser aus, unter ständigem jaaaaaaaaa!jaaaaaaaaaa!jaaaaaaaaaa!
ich setze mich mühsam auf und öffne vorsichtig die augen.
das licht ist grell und bunt und blendet mich. ich sehe nichts. ich
muss aufstehen, ich muss aufstehen, ich muss aufstehen, ich muss aufstehen.
langsam rappele ich mich auf, falle ein paarmal wieder hin, robbe
schließlich verdreht auf dem bauch liegend aus dem licht, schreie
vor schmerz, auf dem boden überall glas, ich schneide mir den
oberkörper und die arme auf, lange schnitte, geile narben. dann
packt mich etwas plötzlich von hinten, fasst mich unter die achseln,
rettungsschwimmergriff, zieht mich hoch und richtet mich auf. ich
bin doch ertrunken! blut und wasser läuft in dünnen rinnsalen
an meinem körper herunter, ich ziehe rotz hoch, huste und spucke
auf den boden. versuche was zu erkennen, drehe den kopf. neben mir
steht ein älterer, dicklicher mann in einem rosa anzug mit großen
gelben punkten, topffrisur und riesiger sonnenbrille. der anzug ist
wirklich psychedelisch. er sagt: I love you!!! dann fällt er
mir um den hals. ich denke, ich spinne! voll der alptraum! es ist
aber tatsächlich elton john. elton john fällt mir um den
hals, nimmt dann meine hand in seine, verschränkt seine wurstigen
finger um meine, verschlingt also sozusagen meine hand und reißt
dann plötzlich roh unsere hände in die höhe. das geht
gar nicht, die sind zusammengebunden. mit der anderen hand macht er
ein victoryzeichen. 50.000 leute im stadion trampeln mit den füßen,
machen eine laolawelle und rufen: danke eminem! danke elton! ihr seid
schwul! ihr seid super!
ich blinzel noch immer geblendet von licht verstohlen zur seite, links,
rechts, sehe aber keinen eminem. dann ist eltons brille plötzlich
ganz nah, er gibt mir einen bruderkuss und flüstert in mein ohr,
kleine spuckeflöckchen treffen mich: komm, wir müssen anfangen!
ich kann nur irrtiert rotze hochziehen. hä?
plötzlich ertönt laute klaviermusik und es wird megahell.
80.000watt scheinwerfer werden auf mich gerichtet. ich höre nur
noch ein wort: eminem! eminem! anfangen! und dann stößt
mich elton john von sich weg, so daß ich in die mitte der bühne
stolpere. er selbst begibt sich hinter einen gläsernen flügel
und beginnt zu spielen. eminem! eminem! die leute lassen nicht locker.
los em, fang jetzt an. mein kopf juckt, schweißt läuft
mein gesicht herunter, das licht quält mich, mir wird übel
und ich kotze wasser wie bier in einem langen strahl. 50.000 jubeln
und rufen:
pete! pete! fang endlich an. punk rock! punk rock! heroin! england!
tu's für kate! fang endlich an! fang endlich an! sie heizen mir
richtig ein, ich fühle mich, als hätt ich k.o.tropfen im
drink gehabt, ich bin ganz schwach und müde mir ist so übel
ich will nur in ruhe gelassen werden und schlafen aufgeben. müde.
müde hebe ich ein bein und lasse mich fallen. ich liege auf der
bühne ich will schlafen. schlafen. immer nur schlafen. so müde.
ruhe haben. schlafen. müde.
sid sid bitte wach auf was du sagst ist so verdammt unintelligent,
man kann nichts verstehen, das ist zeitverschwendung, du kannst später
schlafen, wonach suchst du nach dem feuer sid oh mein gott sid bitte
versuch aufzuwachen, bitte verfickt verdammt wach auf und nimm die
sonnenbrille ab wach verdammt nochmal auf willst du jetzt aufwachen
bitte scheiße sid verdammt wach auf wach einfach auf
krank drei monatelang beim touren die ganze zeit du hast die zigarette
aufs bett fallen lassen
was machst du verdammt du bringst es einfach nicht mehr schau dich
mal an wie du aussiehst was du anhast schlimmer als johnny aber du
bist toll willst du jetzt bitte aufwachen verdammt scheiße halt
jetzt endlich die schnauze
halt die fresse anfangen! fang einfach an! laber nicht rum! fangt
jetzt einfach an! spielen! spielen! los jetzt jetzt gehts los ihr
sollt nicht so dumm rumlabern studikacke das ist rock punk rock anfangen
jetzt!
(Itty schreit und wälzt sich scherbenfroh auf der Bühne.
Sailorboy Grimm steigert den Noise.
Nebel.
Strobo.
Captain Legasto inmitten toter Möwen.)
ENDE