Performance
No.4
Titel:
THE KIDS DON’T STAND A CHANCE
(Im Garten liegt ein Hund und stinkt
Im Baum da sitzt ein Horn und winkt)
Aufgeführt am 28.05.2008
Aufführungsort / Kontext:
Das Künstlerhaus Vorwerkstift ist ein ehemals besetztes Haus (Altersheim)
und wird seit 1994 von der ‘Stiftung Freiraum’, einer Tochterstiftung
der ‘Patriotischen Gesellschaft von 1765’, verwaltet. Für
drei bis fünf Jahre stellt diese mittellosen KünstlerInnen Wohn-und
Arbeitsräume gegen Miete, die dem Erhalt der Bausubstanz dienen soll,
zur Verfügung.
Die Bewohner des Hauses und die Stiftung befinden sich seit ca. einem
Jahr aufgrund politischer Differenzen im Streit.
Die Performance fand im Rahmen der diesjährigen Hausausstellung statt.
http://www.vorwerkstift.de/
Dauer:
2 Std.
Materialen:
- Kostüm Itty: braunes T-Shirt: "Shit and Shine"
- Videoprojektor
- Video: "Art School Confidential" (Film von Terry Zwigoff,
2006)
Performance Ablauf:
Die Gäste plazieren sich stehend und hockend so zwischen den Kunstwerken,
daß sie die Projektion sehen können.
Der Film "ART SCHOOL CONFIDENTIAL" wird gezeigt und an der Stelle
unterbrochen und pausiert, in der im Film ein Interview mit einem erfolgreichen
Künstler und Ex-Studenten der Kunstschule im großen Hörsaal
beginnt. Es ist ein Standbild der Zuhörenden zu sehen. Itty tritt
ins Bild und beginnt ihren Vortrag.
Nach Ende des Textes tritt sie zur Seite und lässt den Film weiterlaufen.
Im Film klatscht das Publikum.
THE KIDS DON’T STAND A CHANCE
(Im Garten liegt ein Hund und stinkt
Im Baum da sitzt ein Horn und winkt)
(Text)
Rückschau
Film 1 und 2:
Szenario
Es regnet
Dämmerstimmung
Ein Amphitheater
Die aufsteigenden Stufen sind mit groben Holzplanken abgedeckt. Auf den
Holzplanken ein gelbes, selbstbemaltes Schild mit der Aufschrift 'Gefahr
im Verzuge'.
Das Theater ist kein Theater mehr, sondern die Terasse zum Garten eines
Altersheimes.
Vor dem Seiteneingang des Heimes sitzen bärtige Menschen mit Gitarren
um ein Lagerfeuer herum und nagen an Hühnerknochen vom Grill.
Atonaler Gesang und Geheule:
society is a hole it makes me lie to my friends
Ein Bandkollektiv aus New York, das gerade im Keller des Hauses aufgetreten
ist.
Die Bühne im Keller, schnell aus Holz zusammengebaut, brennt leicht
und ist zu klein. Die fünfzehn Schlagzeugerinnen der New Yorker Band
haben nicht daraufgepasst, in den Keller hineingepasst, zum spielen. Sie
waren aber zufrieden damit und tanzen jetzt um das Feuer herum, im Kreis.
Das ergibt schließlich auch einen Rhythmus. Warum sich auch in einen
Raum hineinquetschen, wenn der zu klein ist. Wenn dann alles so zusammenklebt,
die Menschen aneinander, die Bilder aneinander und schwitzen und stinken,
der Schweiß läuft mir vom Nacken den Rücken herunter bis
auf den Po.
Ich leiste mir, hier nichts auszustellen
sagt Wild Man Fischer. Ich muss mit der Gitarre in der Stadt herumlaufen,
ständig in Bewegung sein und schnell genug sein auch, damit ich noch
was mitkriege. Darüber kann ich dann singen. Ja, ich mache Musik.
Ich sitz da so auf der Straße rum, Hollywood Boulevard und singe,
alles was ich so sehe. Und weh tut es auch, was ich so fühle. Ich
hab einen Hut auf, nein, eine Baseballkappe, der Hut steht vor mir auf
dem Asphalt. Am liebsten sitz' ich vor dem Stern von River Phoenix. James
Dean find ich auch in Ordnung, Typen, die noch nicht so kaputt waren,
irgendwie. Zerbrochen sind sie aber, muss man ihnen lassen, man kann ja
nicht alles aushalten, irgendwann ist auch mal Schluss. Goldener Schuß
kostet eben was. Mich kosten diese Medikamente schließlich auch
was. Seitdem ich die nehme, mach ich keine Musik mehr. Will schon, kann
aber nicht mehr. Also nicht singen, nicht Sprechen, Sehen tu' ich auch
nichts mehr. Kann jetzt aber einkaufen gehen und ins Kino und sowas. Telefonieren.
Ja, hallo? Das Telefon. Andere Verbindungen sind abgerissen. Kann man
nichts machen. Die Drogen sind mächtig. Mein Gehirn ist aufgeweicht
wie ein Schwamm, ich kann nur noch lallen und mache nachts ins Bett, deswegen
schlaf ich dann den ganzen Tag. Und jetzt sagen die Leute, was ist mit
dem Wild Man Fischer, der hat's doch voll drauf gehabt, was geht. Ich
mein', ich hab richtig Fans. So normale Leute und Kunststudenten, die
sich die Freaknummer reinziehen wollen, sag' ich mal.
Die wären nämlich gerne auch Freaks, kreativ nennen die das,
aber da kommt nichts raus bei denen, weil die sind so normal. Ich erweitere
sozusagen den Horizont. Ein Buchstabe mehr im Alphabet, eine Alternative;
gut, daß es die gibt. Daher jetzt diese Empörung von den Fans,
wie, Fischer ist am Ende, wieso das denn, der ist doch so ein geiler Typ.
Der Zappa hat den doch entdeckt, der hat was übrig gehabt für
Ausnahme-Erscheinungen, der Zappa. War auch tatsächlich kein schlechter
Kerl, der Zappa, aber immer schön funktionieren, das sollt' ich doch.
Drei Platten machen, berühmt werden, ins Studio rein und mit Goldener
Platte wieder raus. Aber Studio war echt schwierig. Weil mein Gehör
ist so-, ich lauf durch die Stadt und dann hör' ich.
Alles.
Musik.
Rhythmen und Melodien.
Ich bin wie ein Tape.
Aufnehmen gleichzeitig und abspielen.
Das ist eigentlich bloß eine Technik aus den Achtzigern, aber der
Zappa hat das nicht hingekriegt für sich selber, einfach nicht hingekriegt,
diese Technik anzuwenden, zu benutzen. Da war er irgendwie beschränkt.
Für den war ich immer der super geniale Typ. Kreativ, wie gesagt.
Der ist durchgedreht, war ganz aufgeregt: auf dem Hollywood Boulevard
sitzt einer und schreit und singt für Groschen den Passanten ein
Lied. 'Like a rolling stone'. Ich mein faszinierend ist das schon, ich
kann auch verstehen, daß man sich dafür interessiert, so 'Outsider
Kunst'.
Und warum interessier' ich mich eigentlich dafür? Einer singt schief
und brüllt rum, ist echt 'ne gute Performance und dann ab in die
Klapse. Da hat dann der Manager gefehlt, so ein ein Zappa-Kurator, der
Führungen durch die Ausstellung macht und das Ganze als Kunst lesbar
macht. Aber Zappa hatte den Rand voll, nachdem der Wild Man 'ne Flasche
nach ihm geworfen hat, die beinahe das Zappa-Baby, den Mini-Zappa getroffen
hat, das war dann die Grenze, so nicht. Das geht ja schnell. Falscher
Rahmen, das kann sein, oder deine Kunst ist nicht lesbar, oder was auch
immer du da machst, weil Kunst kann ja eben alles sein, kommt auf den
Rahmen an, ausschließlich eigentlich. Der Rahmen ist das Wichtigste.
Rahmen heißt Lesbarkeit. Von der oder der Seite aus was betrachten.
Im Kunstrahmen darf man eigentlich alles machen. Das mag da drin dann
gut oder schlecht sein, was wiederum vom jeweiligen Zeitgeist und den
herrschenden Ökonomien abhängt, aber solange man den Rahmen
nicht verlässt, kann man eigentlich alles machen- das frustriert
natürlich. Weil es gibt ja das Wissen, daß das, was man da
versucht, dadurch vielleicht echt belanglos ist. Das Wirkungsfeld ist
ja ziemlich gering. Manche haben Hoffnung, daß was abstrahlt, daß
von allen Prozessen, allen Diskursen, die auf so Konstrukte wie Gesellschaft,
Staat, Familie, Hausgemeinschaft einwirken, der, den ich jetzt mal als
'Feld der Kunst' bezeichnen möchte, am schnellsten und deutlichsten
Konsequenzen hervorruft. Also die coolen, die guten Leute, die sich weit
aus dem Fenster, dem gesellschaftlichen oder dem Kunstrahmen hängen,
quasi als Versuchskaninchen, die haben 'nen strahlenden Heiligenschein
oder Märtyrerschein auf, der wirklich mächtig strahlt und gleich
dreißig neue Sozialprojekte gedeihen lässt oder Ausdruckstanz
und das Design vom neuen Airbus auch. An diesen Punkten ist man dann plötzlich
verantwortlich, was will man, wo steht man- bei sich selbst, im Machtclub,
als Meese beim Lead Award oder ebenfalls mit Narrenkappe auf im CCH- so
als Schlingensief, Jelinek, Singtulpe oder Helge Schneider, bei denen
immer alle immerzu ohne Unterbrechung lachen. Das schmerzt auch. Da muss
man schon ziemlich stark sein, so als Helge Maria Jelinek. Das Publikum
ist auch stark, brutal ist es. Mit Geld ließe sich die Brutalität
und Gewalt vielleicht aushalten. Feudalkunst muss man dann machen. Top
billin'. Naja und man kann man auch verweigern, abkacken und zwischen
den Rahmen rumdümpeln, das kann auch ok sein, so ohne Zugang zur
Macht. Milk is chillin, It is chillin'. '
Am Lagerfeuer sitzen und Basilkum züchten, aber richtig konzentriert
und gut. So daß die Leute dann fragen, mensch, dein Basilikum, der
ist aber richtig gut und saftig, wie kriegst du das hin. Diesen Ausnahmeerscheinungsbasilkum.
Und du sagst dann, wenn du überhaupt darüber sprechen kannst,
weil für das Sprechen gibt es ja auch Bedingungen, das geht ja nicht
immer und überall- also wenn du überhaupt darüber sprechen
kannst, sagst du dann: ich glaube das kommt daher, daß der Basilikum
eigentlich kein Basilikum ist, sondern Malerei. Oder Dokumentarfilm. Oder
ein Musikstück. Ist ja auch so. Aber da muss man dann schon wieder
aufpassen, wegen der Klapse. Das man das nicht den falschen Leuten sagt,
daß Basilikum eigentlich Malerei ist oder Schumacherei. Und wenn
man dauernd Angst hat, lebt man in einem Zustand von Terror. Innere Überwachung,
äußere Überwachung. Zweifel. Mißtrauen. All so ein
Zeug. Spionage. Beamtentum. Eigentlich spreche ich dauernd über Gewalt,
hab ich dir neulich geschrieben, und du hast geantwortet: was für
ein Pamphlet Du mir da geschrieben hast, in Beichtform will man meinen,
Ittylein. Ich aber denke eher ans Gebet. Die Ausnahmeerscheinungen beten
und reinigen uns. Katharsis. Ich habe zwar dagegen gesprochen, gegen die
Kirche und auch gegen die Freiheit der Kunst, aber nun denke ich, vielleicht
sollte ich den Basilkum 'Freiheitsbasilikum' nennen. Der Basilikum an
sich ist frei, ist ja auch logisch, so ohne Wurzeln, ohne Geschichte,
ohne Unkraut, ohne Preisschild und nicht im Topf, nicht in der Erde und
Musik macht er auch nicht, die sich auf Schallplatten pressen, ritzen
und falzen lässt und die man dann nach Hause mitnimmt, wo man sitzt
und trinkt und unruhig ist. Oder schläfrig. Wenn man schläfrig
ist, war man vorher so unruhig und aufgeregt, daß man losgegangen
ist und sich derbe viel reingezogen hat, so daß man jetzt erschöpft
ist, ausgesaugt, ausgelaugt und eben schläfrig. Oder man hat nachts
gearbeitet. Dann kann man Tags auch nicht mehr am Basilikum dran rummachen.
Der Bruder vom Comiczeichner ist ein richtig guter Comiczeichner, aber
ein Schläfer. Die Medikamente. Er zeichnet nicht, er isst und schläft.
Er sieht dick aus und ist es auch, wie die Hintern von den Mädchen
in den Comics vom Bruder, der Zeichner geworden ist und nicht Schläfer,
weil er irgendwie geschafft hat, Zeichner zu bleiben. Kultzeichner von
Hintern, Nerdmädchen, Blues, Zöpfen, Zähnen und Tennisspielerinnen.
Und nicht wie sein Bruder eine Zeitbombe, die rumläuft und sich beschwert
und über sich selbst hinaus weist, auf Probleme, die keiner haben
will und sehen will auch nicht. Nee, das zumindest ist er nicht, er ist
keine Problembombe, der Robert. Seine Comics sind vielleicht schlechter,
aber er kann sich besser bewegen in der Welt. Besser als der Schlafbruder.
Der hat als Kind derbe gebrannt mit Talent und Humor, ohne kaputt zu sein
davon, aber das ist lange her. Es war, bevor er mehr wollte als Zeichnen-
zuerst nicht nur Figuren, die handeln und sich bewegen, sondern auch deren
leere Sprechblasen. Leere Rahmen. Später dann den Text in den Sprechblasen
ohne Sprechblasen drumherum- bis da nur noch Text war bis da nur noch
Zeichen war bis da nur schwarze Streifen waren auf den Zeichenblättern
so klein so viel so genau war die Schrift und all das was zu sagen ist.
Ohne Rahmen.
Es gab da noch andere Brüder und Schwestern. Aber die beiden waren
sich speziell nahe. Robert dürr und mit Hasenzähnen und Karos
an und Charles sieht super aus und hat diese Störungen- jedenfalls
läuft das nicht rund bei ihm, obwohl es könnte. The looks the
brain. Also super Comics zeichnen die ganze Zeit jeden Tag und nachts
auch und in Geschichten leben. Brüder. Keine Mädchen, immer
in den Schulpausen mit dem Kopf ins Klo, da muss man sich was überlegen.
Wie Musik oder Comics oder Charme, Witz, Wut und immer ein Notzizbuch
dabei. In der Regel wird man dann später, spätestens in der
Oberstufe, auch saucool wie die Ramones. Aber eine Familie mit vieren
solcher Leute, das ist einfach zuviel, da können nicht alle überleben
und gut bei aussehen. Es gibt Konkurrenz und Macht und Kampf- um Liebe,
Anerkennung, Erfolg, gutes Essen, gutes Leben, Ruhe, Unruhe, Mut und daran
kann man einfach kaputtgehen- wie Charles eben und Daniel, wie Fischer,
Mickeymausfrau und Antonin, wie Dieter 'Otze' Ehrlich, wie Alice, Eiffe,
Enid, Oscar, Brad und Joey .
Wisst ihr, wie oft ich schon verendet bin?
Viel zu oft......ich glaube ich kann bald nicht mehr.
Hier also öde Fotos...sorry.
Andere Position:
Sehr spät, aber immerhin und zur Entschuldigung ist eure Webseite
auch nicht auf dem neusten Stand, kommen die Bilder aus Potsdam. Falls
ihr die größer braucht, dann sagt einfach Bescheid.
Vielen Dank.
Kurzer Perspektivwechsel:
Ein Sprung mit dem Skateboard von der Sonnentreppe.
(des Altersheimes)
'Zivilisation statt Messiekultur':
Werbung von Eastpack
Im Vordergrund steht eine Reise, in der Graffiti als Motiv der Bewegung
und nicht wie sonst betont als Ziel der Bewegung gezeigt wird, denn heute
gibt es kein Innen oder Außen mehr, sondern nur noch ein Dabeisein.
Teilhaben, was aber nicht ungedingt gleichzeitig Teilnehmen bedeutet.
Teilnehmen, was aber nicht unbedingt gleichzeitig Teilhaben bedeutet.
Bärtige Musiker sitzen hinter einem Zaun im Kreis um eine Feuerstelle
herum und heulen. Das ist moderne Musik. Die Zuschauer klatschen und nagen
an mitgebrachten Maiskolben.
Wir gehen jetzt also davon aus, daß durch Ihr Handeln nicht mehr
Gefahr im Verzuge ist und wir dadurch keine Sanktionen verhängen
müssen.
Es sei bei dieser Gelegenheit aber nochmals in aller Deutlichkeit gesagt,
daß wir anderenfalls gezwungen sein würden, von unserem Hausrecht
Gebrauch zu machen. Einen so schwerwiegenden Verstoß, wie es die
grob fahrlässige Gefährdung von Leib und Leben von NutzerInnen
und Gästen darstellt, würden wir zur Anzeige bringen; eine fristlose
Kündigung des Nutzungsverhältnisses würde ebenfalls umgehend
erfolgen.
Selbstverständlich bezieht sich das geschilderte Szenario nicht allein
auf die morgige Aktion, sondern auf alle, solange die bauliche Situation
so weiter besteht. – Wie jetzt ebenfalls klar sein sollte,
daß selbstverständlich auch unangekündigte Veranstaltungen
oder solche, von denen wir erst nachträglich erfahren sollten, unweigerlich
die Kündigung nach sich ziehen werden.
Film 3 und 4:
Bärtige sitzen um ein Lagerfeuer herum und schweigen. Sie sitzen
da jeden Abend und soviel hat man sich nun auch nicht zu sagen. Von vorneherein
sind sie ja eine Zweckgemeinschaft gewesen und nicht aus Freundschaft,
gemeinsamen Interessen oder ähnlichen Haltungen zusammengekommen.
Diese Situation überfordert sie.
Draußen ist es kalt und das wird auch erstmal so bleiben. Hinein
können sie jetzt nicht mehr. Also sitzen sie hinter dem Zaun, stumm
und das ist kein Protest, sondern Schweigen, weil man sich nichts zu sagen
hat.
Es ist gar nicht so schwer, sich so durchzuschlagen. Essen findet man
immer und einen windgeschützten Ort wie dieses Amphitheater auch.
Es stimmt also wohl, daß es kein Innen und kein Außen mehr
gibt. Essen findet man immer und einen windgeschützten Ort wie dieses
Amphitheater auch. Ab und zu kommen Leute aus der hübschen Schmiedeeisernen
Flügeltür des Gebäudes in den Garten. Sie rauchen und trinken
Sekt, lachen zurückhaltend und gehen dann wieder. Hinein. Draußen.
Kaltes blaues Licht flackert durch die Fenster. Ein Triptychon, ein Mann
am Kreuz, ein Video, ein Nam June Paik in einer Kellerbar auf dem Kiez,
hauptsächlich von Pinnebergern und Segebergern mit Bierbäuchen
frequentiert. Rechts und links vom Christus am Kreuz die Damen 'Terror
1' und 'Terror 2', die Peitschen schwingen und spitze Hochhackschuhe tragen.
In ihrer Mitte ein Mann mit Kapitänsmütze, der mit einem Schweißgerät
dem Gekreuzigten Funken ins Gesicht schlägt. Das ganze medialisiert
in Video, Video in mehreren Würfeln- ein Nam June Paik.
Aber nicht doch, es handelt sich um eine geschmacklose gegenständliche
Version eines Nam June Paik, eine Paik Oberfläche, zum billigen Effekt
verkommen, mißbraucht, geschmacklos, abstoßend, brutal und
das im Metropolitan Museum of Art, New York, 1982. Der Künstler hängt
an seinen Hoden von der Decke, was bestimmt schmerzt, die Zuschauer zumindest
auf jeden Fall. Der Künstler genießt die Aufmerksamkeit. Seine
Freundin ist rothaarig und steht daneben, in der Nacht 'Terror 1', am
Tag Verkäuferin an Kasse vier, Budnikowski, Hein-Hoyer-Str. Hier
aber in diesem Laden wie auch im weiteren Leben ist sie die Kontrolle
und hat Macht über den Künstler, vertraglich abgesichert. Der
Künstler könnte auch beruhigt die Kunst aufgeben und im Keller
wohnen, in ihrem Keller, Keller eins, wo sie ihn schlägt und an der
Hundeleine lässt, geil findet er das, weil er ist krank, er hustet
und ertrinkt von innen heraus und der Sex ist seine Rettung. Der Kunstsex.
Die Sexkunst. Ich finde das rührend und süß. Selten sind
Menschen in Beziehungen so respektvoll und offen. Wenn das Kunst sein
soll ist mir das recht.
Und was für ein Pamphlet Du mir da geschrieben hast!
Ansonsten:
I'm living in this movie
but it doesn't move me
Menschen laufen auf langen, leeren, weißen Fluren geschäftig
hin und her. Sie tragen keine Rollschuhe.
Sie verkeilen Wäscheständer ineinander und stapeln alte Möbel
aufeinander und Klamotten und Backsteine, die sie mal irgendwo mitgenommen
haben, weil man kann das ja vielleicht noch benutzen für irgendwas
und nicht einfach wegschmeißen. Jetzt, in Zeiten neoliberaler Autokratie,
haben sie allerdings ein Problem: der ganze Müll soll weg. Der Flur,
der Kopf und die Feuerstelle, der Garten, die Musiksamplemaschine und
das Telepathische Objekt, die Schreibmaschine, der Regenschirm, der weiße
Laptop und das Telefon daneben, der Schweiß, die Bücher, der
Sex und der Stapel Einladungskarten soll ordentlich sein und effektiv
und vielversprechend und nicht rumgammeln. Deswegen laufen sie bei dem
schönen Wetter auf den Fluren der Kunsthochschule herum, gefolgt
von einem ambitonierten Kamerateam mit Eastpackrucksäcken und Nike
Air und einer Rolle 16mm Film, denn der alte Professor ist gutmütig
und voller Hoffnung und kann nicht mehr Unterschiede machen zwischen den
Studenten- die wollen ja alle nichts mehr- und schenkt daher resigniert
Film aus. Mit dem Film in der Kamera laufen sie dann im Kreis umher und
landen immer wieder am Lagerfeuer, wo sie schnell einen Wodka runterkippen
und eine Line Koks. Dann eilen sie beschleunigt umso schneller wieder
hinein und verkeilen die Wäscheständer, die Klamotten, die Bücher,
Pflanzen, Hundehaare, Grußkarten, Zeitungen, Kricketspiele, auch
das Monopoly, die Turnschuhe, Tennisschläger, Ghettoblaster und was
man sonst nicht zum Leben braucht, zu Kunst. Der Flur ist Tag und Nacht
mit Ökostrom beleuchtet, damit man auch immer die Kunst anschauen
kann von den Jungkünstlern, damit man auch weiß und versteht,
was so einen Standort ausmacht und wie dankbar man sein darf, darin zu
leben und Wäscheständer zu Kunst zu verarbeiten. Was im übrigen
Schwerstarbeit ist. Man schwitzt dabei so, das Gemäuer wird feucht
davon und geht langsam kaputt. Die Rote Flora wird da noch länger
durchhalten, trotz der fetten Bässe jeden Abend. Muss man echt aufpassen
mit dem ganzen Schweiß. Daß man nicht Fett ansetzt im ohnehin
schon waberigen Gehirn. Man muss da dringend was dagegensetzten: Eine
Amy, die mit fusseligem Mund einen Pete küsst. Ein Wadenbeisserpärchen
im Beschwerdechor. Mehrere Österreicher. (Schriftsteller). Musik
in der Garage machen wie auch in der Musikhalle. In den Keller gehen,
wenn der Krieg zu doll wird, aber auch wieder rauskommen können,
wenn's nötig ist, keinen Meter weit zurückweichen, Dubcore,
die Psychose als Auftraggeber erkennen, Städte bauen und nicht die
Intelligenz runterschrauben, das musste ich früher bei den ganzen
Gymnasiastenprolls auch schon immer. Ist sehr unbereichernd.
Ich bin ganz außer Atem jetzt. Das war ja ein richtiges Kreativfeuer
jetzt, wie im Buchladen rappen schon fast.
Pass mal auf, der hier ist noch viel besser:
Cindy hat eine Ausstellung in Köln und dann noch diese Preisverleihung
in Wien
Louise ist arbeiten (Hundesitterin) und dann muss sie Tresen machen in
einer Kneipe
Wo Robert auflegt, der macht das auch als Job
Daniel ist im Krankenhaus, es geht ihm echt nicht gut
Kim hat einen Auftritt, und gesagt, sie kommt danach auf jeden Fal.
Johann ist noch in seiner Galerie, kann später werden, meinte er
Da ist heute die Eröffnung von Falk, deshalb ist auch der nicht da
Und ich, entschuldigung, ich war auf dem Dachboden und hab' rumgedaddelt
und voll verpeilt, daß es schon so spät ist.
Läuft echt gut bei dir, was?
Eigentlich schon: ich singe bei Kotflügel, alle Finger meiner rechten
Hand sind noch dran, der Container mit den Affenherzen ist endlich angekommen
und meine Eltern haben mir den schönen polnischen Namen Jezebel gegeben,
der echt gut hier ins Viertel passt. Nur mein I-Pod ist kaputt, das ist
auch gut, weil so ein bißchen Schwierigkeiten, die muß man
sich ja selber konstruieren, von außen kommt ja nichts. Alles ist
Butter, es gibt keinen Krieg, keinen Feind, oder nur Feinde oder Feindnebel,
also wirft man ab und zu ein bißchen mit Trockeneis um sich, um
das Gefühl von Klarsicht zu bekommen.
Und dann geht man ins Kino.
Und welchen Ratschlag würden sie einem jungen Künstler geben,
der...
Seien Sie ruhig, sehen Sie mal, es gibt nur diese eine Frage, die Sie
interessiert und die lautet: was muß ich machen, um Sie zu werden?
Ich werde Ihnen die Antwort geben: Kunst machen ist ein Beruf sozialer
Fantasie, in dem Herstellende und Konsumierende darin zusammenarbeiten,
ein Glaubenssytem aufrechtzuerhalten, das den Wert ihrer Kompetenzen und
Dispositionen unterstützt. Also: um ein großartiger Künstler
zu werden muß man einfach ein großartiger Künstler sein,
da gibt es nichts zu lernen.
Also, Sie verschwenden alle ihre Zeit, gehen Sie nach Hause!
Film 5 und 6 (Start)
Art School Confidential
(Terry Zwigoff, 2006)
Nach dem Kino:
Musik: Top Billin' (Audio Two vs Air / Dangermouse )
If your soul loves the sun, money, shit and shine on! |